...
Als erstes also „Programm“ : Die Gruppenstunden in der DPSG sollen strukturiert verlaufen, d.h. Leitungsteam und Gruppe sollen sich überlegen, was in den Gruppenstunden gemacht werden soll und sich so ein „Programm“ geben. Dies gilt für die Kinder- wie die Jugendstufen gleichermaßen (und im Grunde auch für die Leiterrunde). Für den Leiter heißt ein Programm zu haben, vorbereitet in die Gruppenstunde zu gehen und nicht erst dort zu schauen, was sich denn so ergibt und wie die Zeit wohl herumgeht.
In erster Linie sind mit Programm Projekte gemeint. Dies können ganz konkrete, handwerkliche Projekte sein (z.B. Möbel für den Gruppenraum bauen), die zeitlich und vom Aufwand her klar zu überschauen und einzugrenzen sind. Es kann auch die Beschäftigung mit einem Thema sein, bei dem der Verlauf nicht von vorneherein mit Bestimmtheit abzusehen ist oder es nicht nötig ist, ein Ende festzulegen (z.B. wenn man sich mit Umweltfragen oder Jugendarbeitslosigkeit auseinandersetzt; wenn man sich den Pfadfindertechniken wie Knoten, Kompass, Kartenlesen etc. widmet, dann kann man dies auch jederzeit wieder beenden, ohne eine Baustelle zu hinterlassen).
Ein Programm kann aber auch sein, eine Gruppenstunde nur mit Spielen und Toben zu verbringen, wenn das Leitungsteam den Eindruck hat, dass dies einfach mal angebracht ist (etwa nach einer Phase anstrengender, konzentrierter Projektarbeit). Oder eine Gruppe einigt sich jedes Mal neu am Ende des Treffens auf ein Kurzprojekt für die nächste Gruppenstunde, das sie dann durchführt. Wichtig ist, dass die Gruppen und Leitungsteams aktiv und bewusst ihre Gruppenstundenzeit gestalten. Das ist ein Programm.
Nicht gemeint mit Programm ist, dass durch die Gruppe ein Jahresplan aufgestellt werden soll, etwa von Stufenwechsel zu Stufenwechsel. Ebenso ist damit nicht gemeint, dass die Leiter einen Lernkatalog zusammenstellen, den sie dann programmatisch in den Gruppenstunden durchziehen („Heute üben wir Zelte aufbauen, nächste Woche kommt das Morsealphabet dran und im Sommer seid ihr dann für‘s Lager fit!“).
„attraktiv“: Die Programme, die Gruppenstunden, sollen den Kindern und Jugendlichen (und auch den Leiterinnen/LeiterLeitern!) Spaß machen, ihren Bedürfnissen Raum geben, Erfolge vermitteln (die durchaus auch im Lernen aus Fehlern bestehen können), Platz für Freundschaften bieten und ihnen die Möglichkeit eröffnen, Dinge zu unternehmen, die sie daheim, in der Schule oder im Sportverein nicht machen würden. Dies ist möglich, wenn die Gruppe aktiv bei der Programmgestaltung mitwirken kann und die Leiterinnen /und Leiter dafür sorgen, dass das Programm umgesetzt wird, ohne die Gruppe zu überfordern. Manchmal muss eine Gruppe davor geschützt werden, dass sie sich vor zu viel Ehrgeiz verrennt. Wenn sie zu viel auf einmal will, dann wird das nicht hinhauen; Enttäuschung und Frust sind die Folge. Damit das Programm attraktiv bleibt, sind in solchen Momenten, "Pausen-Gruppenstunden“ sinnvoll, in denen abgeschaltet und inne gehalten werden kann, z.B. indem „nur“ gespielt wird oder im ersten Teil des Treffens alle gemeinsam Kuchen essen. Auf diese Weise werden neue Kräfte gesammelt.
Selbstverständlich können, dürfen und sollen sich auch die Leiterinnen /und Leiter in die Programmgestaltung mit ihren Ideen einbringen. Allerdings müssen sie darauf achten, dass sie nicht ihre Vorstellungen gegen den Willen der Gruppe durchdrücken, denn ein solches Programm ist für die Pfadfinderinnen /und Pfadfinder dann nicht mehr attraktiv. Sie werden gehen, weil es nicht „ihr Ding“ ist!
Allerdings gibt es manchmal auch Gruppenmitglieder, die dann gehen, wenn ihnen kein in ihren Augen attraktives Programm geboten wird. Hier müssen Leiterinnen und Leiter auf sich selbst aufpassen: sie sind nicht zum Bespaßen der Pfadfinderinnen /und Pfadfinder da, auch wenn einige Eltern und Mitglieder das immer wieder glauben. Es ist nicht Aufgabe der Leiterinnen /und Leiter ein attraktives Unterhaltungsprogramm auf die Beine zu stellen, aus dem man sich die Rosinen herauspicken kann.
Mit Hilfe einer altersgerechten Animation (siehe dazu „Die Projektmethode“ weiter unten) kann die Gruppenleitung ihre Gruppen auf Ideen für Programme bringen, die die Gruppe attraktiv findet, weil die Ideen aus ihnen selbst kommen, und die dadurch ihrem Alter angemessen sind. Ohne Zweifel gibt es Kinder und Jugendliche, die es attraktiv fänden, jede Gruppenstunde im Schnellrestaurant oder mit Videospielen zu verbringen. So aber ist „attraktiv“ nicht gemeint, denn die Programme sollen auch...
Fortschreitend sein
Im Leben einer Gruppe soll es Entwicklungen geben – vom vorsichtigen Kennenlernen zum vertrauten gemeinschaftlichen Erleben und Handeln und dem Entdecken von Neuem. Solche Entwicklungen finden im Fast-Food-Restaurant und vor der Spielkonsole nicht statt, weil jede Gruppenstunde gleich ablaufen würde und das zudem ohne geistige Herausforderung.
Entwicklungen werden durch Aktivität und Kreativität in Gang gesetzt und gefördert (individuell und in der Gruppe). So meint „fortschreitende Programme“, dass die Gruppe durch die Programme, die sie sich gibt, in Bewegung bleiben soll (Verschnaufpausen nicht ausgeschlossen). Über die Jahre hinweg, von Stufe zu Stufe, sollen die Programme anspruchsvoller werden, gleichsam „mitwachsen“ und so die Kinder und dann Jugendlichen in ihrer Entwicklung begleiten und unterstützen. (Ein Beispiel für dieses „Mitwachsen“ sind Dauer und Umfang oder Reichweite von Sommerfahrten: Von einer Woche Standlager in relativer Nähe bei den Wölflingen geht es zu zwei Wochen Wandern im Ausland bei den Pfadfindern und Rovern).
Innerhalb einer Stufe sind Programme dann fortschreitend, wenn sie jeweils auf ein Ziel hinführen, auch wenn es möglicherweise nicht erreicht wird. Der erfolgreiche Abschluss eines Projektes ist ein solches Ziel, aber auch die gelungene Sommerfahrt. Ziele von Programmen können gegenständlich sein (z.B. ein Fahrrad bauen, Graffiti überpinseln) aber auch ideell (zu einem besseren Gruppenklima kommen, über Umweltzusammenhänge besser Bescheid wissen).
Fortschreitend heißt aber nicht, dass ein Programm immer anstrengender, herausfordernder, größer etc. als das vorherige sein oder anderweitig auf Vorherigem aufbauen muss. Es darf durchaus für sich allein stehen.
...
Leben in der Natur
Die Beschäftigung mit der Natur als Lebensgrundlage für die Menschen ist ein wesentlicher Bestandteil des pfadfinderischen Programms. Pfadfinderinnen /und Pfadfinder müssen eine respektvolle Haltung gegenüber der Natur entwickeln. Dies fängt schon im Kleinen an: Achtung bereits vor Insekten, Einsammeln und Mitnehmen von Abfällen, Vermeidung von Beschädigungen an Bäumen. Pfadfinderinnen /und Pfadfinder sollen sich als Teil der gesamten Natur begreifen. Dies gelingt vor allem unterwegs im Zeltlager. Aber auch Nachtwanderungen oder Sinnespfade im Wald sind jedes Mal neu eindrückliche Erlebnisse.
In der Natur gewinnen Kinder und Jugendliche Abstand vom gewohnten Leben zuhause, gerade wenn es aus den Städten herausgeht. Sie machen dabei vielfältige neue Erfahrungen: dass die Natur nachts nicht beleuchtet ist, dass Handys keinen Empfang haben und es keine tragbaren Steckdosen gibt. Die Beispiele wirken banal, stellen aber oft genug ungewohnte Herausforderungen dar. Pfadfinderinnen und Pfadfinder lernen, in der Natur mit bescheidenen Mitteln vorwärts zu kommen und dass sie das auch schaffen. Das Leben in der Natur vermittelt auf diese Weise den Mädchen und Jungen, dass sie mit weniger (technischen) Mitteln zurechtkommen können, als sie vorher vielleicht gedacht haben.
„Look at the girl/boy“
Dies ist ein Grundsatz, den jede Leiterin und jeder Leiter beachten soll, denn er ruft in Erinnerung, dass eine Gruppe immer aus Individuen zusammengesetzt ist. Jedes Mitglied hat seine eigene Persönlichkeit, seine eigenen Stärken und Schwächen, Vorlieben, Abneigungen und so weiter. Manche sind schon reifer als andere, manche benötigen mehr Aufmerksamkeit. Die Leiterinnen /leiter und Leiter müssen im Gruppengeschehen darauf achten, dass jedes Mitglied „mitkommt“ und keines den Anschluss verliert. Die Mitglieder müssen dort abgeholt werden, wo sie stehen. D.h., bestimmte Kinder und Jugendliche müssen gefördert werden, anderen muss Raum gegeben werden, um sich kreativ und aktiv einzubringen.
Bezüglich eines Stufenwechsels kann es beispielsweise sehr sinnvoll sein, ein Kind noch ein Jahr länger in der „unteren“ Stufe zu lassen, weil es für die nächste Stufe noch nicht reif genug ist, obwohl es eigentlich das Alter schon erreicht hat. Umgekehrt täte es vielleicht einem anderen besser, bereits ein Jahr früher in die nächste Stufe zu wechseln.
Es ist sehr hilfreich, wenn sich das Leitungsteam regelmäßig zusammensetzt und sich über seine verschiedenen Eindrücke von den Gruppenmitgliedern austauscht. Hat man das Gefühl, dass sich jemand unwohl in der Gruppe fühlt? Blüht in letzter Zeit einer besonders auf? Welche Einflüsse gehen von wem aus? Ist jemand unter- oder überfordert? In der Folge kann sich das Team überlegen, wer aus dem Team sich vielleicht um welches Gruppenmitglied etwas intensiver kümmert. Das kann schon ein einzelnes Gespräch in Ruhe nach der Gruppenstunde sein. Beherzigt man den Grundsatz „auf die Jungen und Mädchen zu schauen“, so spüren das die Mitglieder schnell. Sie merken, dass sie in der Gruppe begleitet werden, und dies ist eine Form des Ernstnehmens und Respektierens, die jedem wohl tut, unabhängig vom Alter.
1Nicht zweckfreie Spiele sind z.B. Glücksspiele, die den Zweck eines hohen Gewinns haben und in denen man sich verstellen muss, um besser ans Ziel zu kommen („Pokerface“). So gesehen ist die Verstellung Teil des Spiels, was auch in anderen Strategie- oder Rollenspielen der Fall sein kann.
2Aus Baden-Powells Abschiedsbrief an die Pfadfinder (aus: Der Wolf, der nie schläft)