Die genaue Eingrenzung von „Jugend“ nach Lebensjahren ist in der Literatur sehr uneinheitlich. Nach deutschem Recht gelten als Jugendliche solche Personen, die über 14 und unter 18 Jahren alt sind. Mit 18 Jahren gelten junge Menschen als volljährig und sind somit rechtlich unabhängig von ihren Eltern. Diese Altersgrenze lässt sich jedoch nicht an einzelnen biologischen, psychologischen oder sozialen Merkmalen festmachen und begründen. Soziologisch wird Jugend häufig weiter gefasst und dauert je nach Lebenssituation deutlich länger als bis 18 Jahren.

In dieser Einführung in die Lebenswelt Jugendlicher geht es vornehmlich um Jugendliche in der Pfadfinder- und Rover­stufe, also um junge Menschen von 14 bis 21 Jahren.

Identitätssuche

Während Kinder sich leicht in vorgegebene Rollen einfügen, ist die Altersgruppe der Pfadfinder und Rover durch eine intensive Identitätssuche gekennzeichnet, „in der Fragen nach den eigenen ethisch-moralischen, religiösen und politischen Über­zeugungen sowie der anzustrebenden beruflichen und familiären Lebensführung aufgeworfen werden“ (Schäfers/Scherr 2005). Jugendliche der Pfadfinder- und Ro­verstufe hinterfragen die Lebensentwür­fe ihrer Eltern, ihre Überzeugungen und Wertvorstellungen und suchen eigene Positionen und Lebensziele. Dies betrifft insbesondere auch ihre Rolle als Mann oder Frau.

Die Identitäts- und Sinnsuche ist kein in sich abgeschlossener Prozess, sondern zieht sich auch nach dem Ende der Puber­tät durch das Leben junger Erwachsener. Dabei können sich gefundene eigene Po­sitionen immer wieder wandeln. Jugendli­che wählen eine Vielzahl ästhetischer Mög­lichkeiten, um sich und ihren Lebensstil zu inszenieren. Mit ihrer Kleidung, aber auch mit der Nutzung sprachlicher Codes zeigen sie ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe und grenzen sich gleichzeitig von anderen Gruppen ab.

Obwohl diese Suche nach ihrem Lebens­entwurf viele Jugendliche eint, kann man nicht von der einen Lebenswelt der Ju­gendlichen sprechen. Die Heterogenität der Gruppe zeigt sich in verschiedenen Wertvorstellungen, Freizeitaktivitäten und Lebenszielen.

Auseinandersetzung mit dem Glauben

Wie in allen Lebensbereichen hinterfragen viele Jugendliche auch ihre Bindung an die Kirche und den Glauben. Die Bedeutung von Religiosität für Jugendliche ist laut der Shell Jugendstudie 2010 (S. 204/205) zwar weiter auf dem Rückgang, das bedeutet allerdings nicht, dass Jugendliche nicht über dieses Thema nachdenken und an ihm interessiert sind. Gerade zu Beginn der Pubertät geht es um Fragen wie den „Sinn des Lebens“ oder die Auseinandersetzung mit Gut und Böse. 28% der katholischen Jugendlichen geben in der Shell Studie von 2010 an, dass sie in ihrem Glauben unsicher sind. Rein formell steht in den Ju­gendstufen die Firmung oder Konfirmation an.

Familie, Freunde, Partnerschaften

In dieser Zeit der ständigen Neubewer­tung von Lebensentwürfen und Wert­vorstellungen streben viele Jugendliche Sicherheit durch feste Bindungen an. Die Bedeutung eines sicheren sozialen Netz­werkes aus Familie und Freunden als sta­bilisierendes Element im Leben schätzen Jugendliche sehr hoch ein.

Das Verhältnis der Jugendlichen zu ihren Eltern verändert sich von der kindlichen Abhängigkeit zu größerer Eigenständig­keit und Unabhängigkeit. Das Erziehungs­monopol der Eltern wird nicht mehr au­tomatisch akzeptiert, sondern in Frage gestellt. Die Erziehung durch Eltern und Lehrerinnen und Lehrer verliert an Be­deutung, während die Fähigkeiten zur Selbsterziehung immer wichtiger werden (Merkens 1996a, 29ff.). Die Beziehung zu den Eltern ändert sich von einer vermehrt abhängigen zu einer vermehrt partner­schaftlichen, auch wenn die Jugendlichen finanziell häufig noch bis zum Ende ihrer Ausbildung unterstützt werden. Jugendli­che erleben ihre Eltern auf dieser Ebene als Unterstützung im Alltag und vertrauens­volle Partner bei Problemen. 90% beurtei­len dabei das Verhältnis zu ihren Eltern mit gut oder sehr gut (Shell 2010).

Mit der emotionalen wie auch räumlichen Ablösung vom Elternhaus gewinnen selbst gewählte Beziehungen zu Gleichaltrigen weiter an Bedeutung. In Freundschaften zu Gleichaltrigen können Jugendliche neue Formen von Gemeinsamkeit erleben und emotionalen Rückhalt finden. Belastbare Freundschaften liegen in der Werteskala der Jugendlichen an erster Stelle.

Im Pfadfinder- und Roveralter machen die meisten Jugendlichen auch ihre ersten Er­fahrungen mit einer Partnerschaft und er­leben zum ersten Mal Sex.

Positionierung für die Zukunft in Schule, Studium und Ausbildung

Die hohe Bedeutung von Bildung für den beruflichen Erfolg und die Teilhabe an der Gesellschaft ist in den Medien sehr präsent und wird von den allermeisten Jugend­lichen daher auch nicht in Frage gestellt. Die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit sowie der Ausbau der Ganztagsschulen er­höhen einerseits den Druck auf die Schüle­rinnen und Schüler, stets gute Leistungen zu erbringen und verringern andererseits ihre Freizeit. 28% der Jugendlichen erleben in ihrer Schullaufbahn mindestens einmal, dass ihre Versetzung gefährdet ist. Für sie ist der schulische Druck besonders spürbar (Shell 2010, S. 78).

Auch wenn es in Deutschland theoretisch gleiche Bildungschancen für alle Jugend­lichen gibt, zeigt sich, dass der Bildungs­hintergrund der Eltern für den schulischen Erfolg wichtiger als das tatsächliche Leis­tungsvermögen der Schülerinnen und Schüler ist – „Bildung wird sozial vererbt“ (Shell 2010, S. 72). Dies drückt sich zum Beispiel in den Zahlen zum Abitur aus: 26% der Kinder aus der Unter­schicht, aber 77% der Kinder aus der Ober­schicht machen das Abitur (Schell, 2010).

Besonders für Jugendliche im Roveralter ist die Frage der beruflichen Ausrichtung eine der Schlüsselfragen. Für sie ist die Wahl einer schulischen oder betrieblichen Ausbildung oder eines Studiums die wohl bedeutendste Entscheidung, die sie bisher treffen muss­ten. Während die bisherigen wichtigen Le­bensentscheidungen z.B. im Übergang von Grundschule zur weiterführenden Schule durch die Eltern geprägt wurden, treffen die Jugendlichen nun selbst eine Wahl.

 

Dabei sind die Möglichkeiten der Berufs­wahl heute so groß, dass es für Jugendliche eine immense Herausforderung ist, in die­sem Angebot genau den richtigen Weg für sich zu finden. Diese Entgrenzung der theo­retischen Möglichkeiten fasst der britische Soziologe Anthony Giddens so zusammen: „Man hat keine Wahl, außer zu wählen.“ Vielen Jugendlichen gelingt es gut, aus dem großen Angebot an Studiengängen, Ausbildungsberufen, Möglichkeiten des Engagements im In- und Ausland (wie zum Beispiel FSJ, Weltwärts, Au Pair) ihren Weg zu finden.

Für Jugendliche mit Hauptschulabschluss oder ohne Schulabschluss sind die Chan­cen auf dem Arbeitsmarkt deutlich gerin­ger – für sie gibt es die Wahlfreiheit daher häufig nur in der Theorie. Diese 10 –15 % der Jugendlichen blicken deutlich pessi­mistischer in die Zukunft (Shell 2010).

Freizeit

In der Freizeit sind Jugendliche am ehesten unabhängig von der Einflussnahme Er­wachsener. Hier können sie, frei von dem Druck, den sie in der Schule erleben, ihre Zeit selbst gestalten und ihren Interessen nachgehen. Die Freizeit wird für Jugend­liche daher häufig als sinnstiftendes Ele­ment wahrgenommen und ist für sie dem­entsprechend wichtig.

Hier zeigt sich daher auch ganz besonders deutlich die Heterogenität der Jugend. Ob Jugendliche auf dem Land oder in der Stadt aufwachsen, sich intensiv mit einer Jugendkulturrichtung auseinandersetzen, auf das Gymnasium oder die Hauptschu­le gehen, schafft ganz andere Lebensum­stände.

Das Internet ist ein selbstverständlicher Teil der Freizeit von Jugendlichen. 96% der Jugendlichen haben Zugang zum Netz. Im Schnitt sind sie 12,9 Stunden in der Woche online – wobei sich auch hier große Unter­schiede hinsichtlich des Nutzungsverhal­tens zeigen. Einige Jugendliche nutzen das Internet zum einen für Online-Spiele, an­dere suchen vor allem aktuelle Informati­onen oder neue Angebote in Online-Shops (Shell 2010). Sehr viele Jugendliche sind in sozialen Netzwerken wie studivz oder face­book registriert und nutzen diese zur Kom­munikation. Diese Generation wird auch „Digital Natives“ genannt, da sie eine Welt ohne das Internet gar nicht kennen und ganz natürlich mit dessen Möglichkeiten aufgewachsen sind. 

 

 

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