Das Verhältnis von dir als Leiterin oder Leiter zu den Kindern und Jugendlichen in deiner Gruppe ist ein ganz besonderes. Es liegt zwischen dem Verhältnis zu Gleichaltrigen und dem der Eltern. Die DPSG gibt sich daher auch einen eigenen Erziehungsauftrag.

„Pfadfinderische Erziehung setzt voraus, dass erwachsene Männer und Frauen im gemischten Team die Leitung einer Gruppe übernehmen. Sie begleiten und stärken die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Gruppe. Leiterinnen und Leiter ermutigen sie, selbst das Programm ihrer Gruppe zu gestalten. Sie achten die Einzigartigkeit Einzelner und fördern sie. Am Programm ihrer Gruppe beteiligt sich die Leitung mit interessanten Vorschlägen und Initiativen. Dabei berücksichtigen sie den Entwicklungsstand der Gruppe. Sie akzeptieren, dass sie im Zusammenleben mit den Kindern, Jugendlichen sowie jungen Erwachsenen selbst auch Lernende sind. Die Leiterinnen und Leiter entscheiden sich bewusst für eine Altersstufe. Leiterinnen und Leiter sowie gerade Kuratinnen und Kuraten setzen Impulse für die Glaubensverwirklichung. Eine der wichtigsten Aufgaben von Kuratinnen und Kuraten ist es, alle Leitungskräfte des Verbandes in Fragen des Glaubens zu sensibilisieren und ihnen Mut zu machen, mit jungen Menschen Wege des Glaubens zu gehen.“ Das ist das grundlegende Leitungsverständnis, wie es unsere Ordnung  beschreibt.

In diesem Rahmen muss jede Leiterin und jeder Leiter ihren und seinen eigenen Leitungsstil finden, der von der eigenen Persönlichkeit, den Persönlichkeiten der Gruppe, der Beziehung zu den Gruppenmitgliedern, der Gruppenkonstellation u. a. abhängig ist.

Trotzdem haben die unterschiedlichen Leitungsstile sehr viele Gemeinsamkeiten, sodass sie sich recht gut in drei Leitungsstilkategorien einordnen lassen: den autoritären, den laissez-fairen und den partnerschaftlichen (demokratischen) Leitungsstil.

Der autoritäre Leitungsstil

Die autoritäre Leiterin oder der autoritäre Leiter ist die Macherin oder der Macher der Gruppe. Sie oder er steht im Mittelpunkt der Gruppe und bestimmt, was in der Gruppe passiert. Die Gruppenmitglieder haben wenige Möglichkeiten sich zu beteiligen und ihre Ideen und Vorschläge einzubringen. Im Gegenteil, die Gruppenmitglieder machen mit und widersprechen eher selten, die Gruppenleitung setzt ihre Vorstellungen durch. Von außen betrachtet funktioniert die Gruppe und alles läuft rund. Die Gruppenmitglieder werden so aber kaum selbständig und mehr  und mehr abhängig von den Inputs, Ideen und Planungen der Gruppenleitung. Ein enges Vertrauensverhältnis zur Gruppenleitung besteht oft nur auf die Tatsache hin, dass sie sich um ein Programm kümmert und dafür sorgt, dass irgendetwas passiert. Oft bestehen solche Gruppen nur für die Dauer der Gruppenstunde und nicht darüber hinaus, da sie nur von der Gruppenleitung zusammengehalten  werden.


Der laissez-faire-Stil

Die Gruppe wird von der Gruppenleitung laufen gelassen. Es gibt seitens der Leitung kein aktives Eingreifen in das Gruppengeschehen. Jede und jeder macht,  was sie oder er will. In der Entscheidungsfindung setzen sich dann oft die lautesten oder dreistesten Kinder bzw. Jugendlichen durch oder alle machen etwas anderes. In locker geführten Gruppen gibt es oft kein ausgeprägtes Wir-Gefühl und es kommt eher selten zu aufwändigen gemeinsamen Projekten. Es gibt nur wenige Vertrauensverhältnisse untereinander. Die Gruppe könnte auch ohne Leitung auskommen, da es sich eher um eine Clique handelt als um eine Gruppe. Die Gruppenleiterin und der Gruppenleiter werden eher als Mitglieder denn als Leitung angesehen. Auf längere Zeit hin gesehen fallen diese Gruppen auseinander, da es nur wenig Zusammenhalt gibt.


Partnerschaftlicher Stil

Der partnerschaftliche Leitungsstil zeichnet sich dadurch aus, dass die Gruppe nach ihrer Meinung gefragt wird und die Leitung bewusst mit der Gruppe zusammen arbeitet. Die Mitglieder sollen sich beteiligen und ihre Positionen und Vorstellungen einbringen. Die Leitung trifft keine Entscheidungen alleine, sondern diese werden nach gemeinsamer Beratung in der Gruppe getroffen. Die Gruppenleitung ist Beraterin, Berater und Begleiterin, Begleiter der Gruppe. Zwischen sich und den Mitgliedern versucht die Leitung ein Vertrauensverhältnis herzustellen. Ebenso versucht sie zu erreichen, dass Vertrauen auch unter den Gruppenmitgliedern vorhanden ist. Es besteht ein freundschaftliches, partnerschaftliches Verhältnis in der Gruppe, die Gruppenleitung ist Teil der Gruppe. Die Leiterin oder der Leiter muss auch Ablehnung eigener Vorschläge in Kauf nehmen.

 

Welcher Stil ist nun der richtige? Und welcher für mich?

Diese so beschriebenen Leitungsstile sind natürlich idealtypisch, wohl kaum eine Leiterin, ein Leiterin wird exakt den einen oder anderen der beschriebenen Leitungsstile umsetzen, sondern sich irgendwo zwischen dem autoritären und laissez-fairen Stil wiederfinden. Versteht man diese beiden Stile als Extreme, liegt der partnerschaftliche Stil in der Mitte. In der Realität ist es tatsächlich so, dass für die partnerschaftlich agierende Leitung immer die Gefahr besteht, in den laissez-fairen oder autoritären Stil abzugleiten.

Trotz der vielen berechtigten Gründe gegen den autoritären Leitungsstil  kann  es in bestimmten Situationen, z. B. bei Gefahrensituationen, oder wenn unter Zeitdruck gearbeitet werden muss, sinnvoll und richtig sein, autoritär zu leiten. Auch der laissez-faire Stil kann in bestimmten Situationen gerechtfertigt sein, z. B. wenn die Leiterin, der Leiter in  eine  bestehende Gruppe kommt und zunächst einmal feststellen muss, wo diese steht,  oder wenn eine Gruppe Probleme eigenständig sinnvoll löst. Der überwiegend positive partnerschaftliche Leitungsstil kann auch Nachteile haben oder in manchen Situationen unpassend sein. Alles zu besprechen, zu beraten und auszudiskutieren kann unter Umständen langweilig werden und in schwierigen Situationen braucht die Gruppe manchmal auch eine klare Ansage, wie es nun weitergehen kann. Wichtig ist, dass die Leiterin oder der Leiter gezielt (selbst-)reflektiert und befristet die unterschiedlichen Stile praktiziert.

Hier ein paar Anregungen, dich mit deinem eigenen Leitungsstil auseinander zu setzen:

Fragen zur Reflexion des eigenen Leitungsstils

–  Wie würdest du deinen Leitungsstil beschreiben?

–  In welcher Gruppenphase ist dir was wichtig?

–  In welcher Situation steht deine Gruppe gerade? Wie leitest du gerade?

–  Was möchtest du im Moment mit der Gruppe erreichen, was ist dein Ziel?

–  Wie ist im Moment deine Stellung in der Gruppe?

–  Bist du damit zufrieden oder würdest du gerne etwas anderes ausprobieren? (Das wäre auch ein gutes Thema für eure nächste Teamsitzung!)

Dein typisches Verhalten

Um deinen persönlichen Leitungsstil noch ein bisschen mehr kennen zu lernen, kannst du nachfolgende Sätze ergänzen. Sei spontan in deiner Antwort und denke dabei an dein normalerweise typisches Verhalten:

–  Wenn eine Entscheidung in der Gruppe zu treffen ist, dann verhalte ich mich …

–  Wenn es Probleme in der Gruppe gibt, dann …

–  Wenn Gruppenmitglieder Vorschläge machen, dann …

–  Wenn Gruppenmitglieder ausgeschlossen werden, dann …

Neben der eigenen Beschäftigung ist es gerade in Fragen des Leitungsstils wichtig, auch im Team darüber zu reden. Denn ihr leitet ja gemeinsam – und müsst damit auch einen gemeinsamen Weg finden – auch wenn ihr bewusst unterschiedliche Rollen im Team habt:

Kollegiale Beratung im Leitungsteam 

Jede und jeder überlegt sich eine typische Leitungssituation. Eine oder einer beginnt und stellt die Situation vor. Die anderen überlegen:

–  Welcher Leitungsstil steckt dahinter?

–  Wie wäre die Situation abgelaufen, wenn sie mehr partnerschaftlich, mehr autoritär oder mehr laissez-faire abgelaufen wäre?

–  Welche wäre die günstigste Alternative gewesen? Warum?

–  Nacheinander kommen so alle Personen im Team an die Reihe.


„Ich glaube, dass Gott uns in diese Welt gesetzt hat, um glücklich zu sein und uns des Lebens zu freuen.“

Dieses Wort von Lord Baden-Powell gilt ganz sicher auch für uns, wenn wir uns als Leiterinnen und Leiter in der DPSG engagieren. Das bedeutet: Leiten soll und darf uns Freude machen – nicht zuletzt, weil wir hier ganz viel von unseren eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten einbringen können, weil wir viel Neues gemeinsam mit anderen ausprobieren und selber immer wieder lernen können.

Dabei hilft es, um die eigenen Wurzeln und Grundlagen zu wissen (die ganz eigenen und die des Verbandes) und mit ihnen den eigenen Standpunkt gefunden zu haben.

Wir haben nur eine kurze Lebenszeit.

Daher ist es wesentlich, Dinge zu tun, die es wert sind, und diese jetzt zu tun.5

 


5 alle Zitate von Baden-Powell aus: Mario Sica, Spuren des Gründers. Ein Buch mit Zitaten von Baden-Powell, Neuauflage  im  Georgsverlag 2006