Reflexion – was ist das? 

Die Reflexion (lat. Zurückbeugen6) ist eine Rückschau auf zurückliegende Ereignisse: Sie zielt darauf, das eigene Verhalten, bestimmte Gruppensituationen oder Begebenheiten kritisch zu betrachten. In dieser Rückschau soll es darum gehen, dass sich jeder bewusst wird, was passiert ist und welche Bedeutung es für ihn, für die Gruppe und für das Gelingen der gemeinsamen Sache, beispielsweise des Projektes hat. Damit ist sie Grundlage für Zukünftiges, denn aus dem Gesagten soll gelernt werden, warum etwas gut lief, was besser gemacht werden kann und auch welche Rolle der Einzelne mit seinem jeweiligen Verhalten (ob lobenswert oder kritisierbar) gespielt hat. Weil die Reflexion dazu dienen kann, zu bewusstem Handeln zu ermutigen und zur Persönlichkeitsbildung beizutragen, ist sie ein wesentliches Element der Gruppenarbeit.

Die Ebenen einer Reflexion

Das Leben und Agieren in der Gruppe findet immer auf drei Ebenen statt: der individuellen Ebene eines jeden Mitglieds (Ich), der Beziehungsebene (Wir) sowie der Sachebene (Thema). Entsprechend sollten auch alle drei Ebenen in einer Reflexion berücksichtigt werden:

 

Die individuelle Ebene (Ich)

Hier geht es darum, wie es dem einzelnen Gruppenmitglied ergangen ist, wie es sich eingebracht hat oder welche Stärken/ Schwächen es an sich entdeckt hat.

Mögliche Fragen in einer Reflexion können sein: Wie ging es mir? Habe ich mich einbringen können? Wie habe ich mich bei der Aktion/dem Projekt erlebt? Was hat mich gefreut? Was hat mir nicht gefallen?

 

Die Beziehungsebene (Wir)

Wie waren die Zusammenarbeit und das Zusammenleben in der Gruppe? Wie haben das die einzelnen Mitglieder der Gruppe erlebt? Auch Konflikte zwischen einzelnen Mitgliedern oder Kleingruppen gehören in diesen Bereich.

Mögliche Fragen können sein: Wie war die Zusammenarbeit in der Gruppe? Hat das gut funktioniert oder gab es Knackpunkte? Woran lag das? Habe ich mich in der Gruppe wohlgefühlt? Wie kamen Entscheidungen zustande?

 

Die Sachebene (Thema)

Auch die Aktion an sich, das Thema,  um das es ging, sollte reflektiert werden: Also Fragen wie: Hat mir das Thema gefallen? Bin ich zufrieden mit dem, was wir erreicht haben? Haben wir unser Ziel erreicht? Wie war die Vorbereitung? Hatten wir genug Zeit? Was hätte besser gemacht werden können?

Natürlich können in einer Reflexion nicht immer alle Ebenen gleich intensiv behandelt werden. Trotzdem ist es wichtig, alle drei Ebenen einzubeziehen.

Die persönliche Ebene, die Beziehungsebene aber auch die Sachebene beeinflussen das Gruppenleben. Gibt es Unzufriedenheit auf einer Ebene, und diese wird nicht angesprochen, so belastet es das weitere Gruppenleben.

Konkret: Oft wird in Reflexionen in der Gruppe der Schwerpunkt auf die Sachebene gelegt und die Beziehungsebene ausgeblendet. Damit werden Konflikte, Machtkämpfe oder ähnliches – die zum Gruppenalltag dazugehören – nur angesprochen, wenn sie eskalieren. Das aber legt eine Gruppe auf Dauer lahm: Einzelne Gruppenmitglieder fühlen sich schon vorher nicht wohl, können ihr Unwohlsein aber nicht äußern. Es besteht die Gefahr, dass sie die Gruppe verlassen. Die Zusammenarbeit ist immer abhängig von der Stimmung in der Gruppe.

Reflexionsregeln

Wichtig ist, dass eine Reflexion in offener und ehrlicher Atmosphäre stattfindet. Jeder sollte das sagen können, was er wirklich denkt und auf dem Herzen hat. Dazu gehört ein Vertrauen innerhalb der Gruppe, das sich sicher nicht herbeizaubern lässt, sondern vom gemeinsamen Umgang miteinander  abhängt.

Dazu gehören auch Gesprächsregeln, die mit der Gruppe für Reflexionen gemeinsam vereinbart werden sollten. Solche Gesprächsregeln dürfen nicht einfach vom Leitungsteam vorgegeben werden. Sie müssen mit der Gruppe gemeinsam erarbeitet und dabei auch diskutiert werden. Nur wenn die Mitglieder der Gruppe verstehen, was damit gemeint ist und warum diese oder jene Regel wichtig ist, werden sie sich daran halten. Die folgenden Regeln zeigen, worauf grundsätzlich geachtet werden sollte. Sie sind als Anregung gedacht. Sie müssen natürlich je nach Situation eingesetzt bzw. angepasst oder ergänzt werden.

•            Jeder spricht über das, was ihr/ihm wichtig ist

Auch wenn es andere bereits so oder so ähnlich gesagt haben: Wenn es für ein Gruppenmitglied von Bedeutung ist, dann sollte es dies auch äußern, denn es geht um subjektive Wahrnehmung und Eindrücke. Da ist es für die Gruppe wichtig, ob alle diese oder jene Situation so erlebt haben oder ein Einzelner. Und für jeden Einzelnen ist wichtig, alles sagen zu dürfen und nicht etwas zurückhalten zu müssen.

•            Sei ehrlich und sprich für dich

In der Reflexion soll es um eigene Eindrücke und Rückmeldungen gehen. Das setzt voraus, dass jede/r ehrlich ist und eben auch ihre/seine eigenen Eindrücke und Gefühle schildert – und nicht die von anderen. Gerade bei Kritik an anderen ist das wichtig. So sollte es beispielsweise heißen: „Ich habe mich darüber geärgert, dass du den Joachim schlecht behandelt hast“ anstatt allgemein moralisierend: „So etwas solltest du nicht tun.“ Geschaut werden soll in der Reflexion auf konkrete Folgen des Handelns.

•            Reflexion ist keine Diskussion

In der Reflexion geht es darum, eigene Wahrnehmungen und Sichtweisen zu äußern. Diese sollten genau so auch stehen gelassen werden und eben nicht von anderen Gruppenmitgliedern kommentiert werden. Für eine mögliche Diskussion ist später noch Platz.

Es kann jedoch vorkommen, das jemand eine Äußerung nicht versteht. Dann sollte nachgefragt werden dürfen.

•            Das Gesagte soll in diesem Kreis bleiben

Offene Rückmeldungen in einer Reflexion zu geben setzt viel Vertrauen in die Gruppe voraus. Das entsteht aber nur, wenn klar ist, dass das Gesagte nicht nach außen getragen wird. Reflexion funktioniert nur, wenn sie ein Schutzraum ist, in dem jede/r sich offen und ehrlich äußern darf. 

•           Es redet immer nur eine bzw. einer

Jede Äußerung in der Reflexion ist wichtig und sollte wertgeschätzt werden. Deshalb sollte – wie sonst bei Gruppengesprächen möglichst auch – nur eine oder einer sprechen und alle anderen zuhören. Das bedeutet, keine Seitengespräche zu führen und jede/n ausreden zu lassen.

 

Arten von Reflexion

Je nach Situation gibt es zwei Anlässe für Reflexionen:

Eine Zwischenreflexion kann während eines Projektes, einer längeren Aktion oder eines Lagers durchgeführt werden, um ein Stimmungsbild der Gruppe zu bekommen. Sie wird meist relativ spontan vereinbart und muss nicht so ausführlich sein. Hier kann es darum gehen, gemeinsam zu schauen, ob man als Gruppe noch auf dem richtigen Weg ist oder es Dinge oder Verhaltensweisen gibt, die verändert werden sollten. Methoden, die sich gut dafür eignen sind beispielsweise das „Standogramm“ oder die „Wetterkarte“ (Methoden siehe Anhang). Manchmal reicht bei einer kurzen Zwischenreflexion auch ein Blitzlicht mit konkreten Fragestellungen.

Die Abschlussreflexion wertet eine längere Aktion, ein Projekt oder eine Sommerfahrt aus. Dabei ist sie entsprechend ausführlicher und sollte auf jeden Fall gut vorbereitet werden. Methoden, die sich gut für eine Abschlussreflexion eignen, sind beispielsweise „Papierkorb & Schatzkästchen“, „Das Schiff“ oder „Zielscheibe“.

 

Der Rahmen

Bevor mit der Gruppe reflektiert wird, sollten einige Dinge bedacht werden, die den Rahmen der Reflexion betreffen:

•             Zeitnah zum Reflexionsthema 

Reflexionen sollten immer möglichst direkt nach der zu reflektierenden Sache angesetzt werden. Das meint nicht unmittelbar nach der Feier, wenn alle noch müde sind, sondern in der nächsten Gruppenstunde oder am nächsten Tag.

•              Ausgeruht und mit genügend Zeit  

Wenn alle mit den Gedanken längst zu Hause sind, bringt es wenig, auf Biegen und Brechen noch zu reflektieren. Dann das Ganze lieber verschieben – nur nicht bis zum „Sankt-Nimmerleins-Tag“. Ergo: von vornherein Reflexion einplanen!

•              In guter Atmosphäre reflektiert es sich leichter

Zu einer guten Gesprächsatmosphäre gehört selbstverständlich ein angemessener Raum mit ausreichend Platz für alle. Die Gruppe sollte während der Reflexion ungestört bleiben. Der Raum sollte so gestaltet sein, dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wohl fühlen und es genügend Sitzmöglichkeiten gibt. Jede und jeder sollte alle sehen können, deshalb bietet es sich an, einen Kreis zu bilden.

•              Immer dann, wenn es eine/r oder mehrere für nötig halten

Neben den vorab geplanten Reflexionen wird es, wenn Gruppen zusammen leben und arbeiten, immer wieder zu Situationen kommen, in denen ungeplant eine Reflexion sinnvoll und notwendig ist. Auch, wenn das Leitungsteam oder ein Teil der Gruppe in dieser Situation die Notwendigkeit einer Reflexion nicht direkt sehen kann: Wenn jemand aus der Gruppe es wichtig findet, zu reflektieren, weil etwas vorgefallen ist, das die-/derjenige klären möchte, dann sollte dafür Zeit und Raum sein.

•              An einem neutralen Ort, um nötigen Abstand zum Geschehenen zu haben

Nach Möglichkeit sollte der Raum bzw. der Ort gewechselt werden, um etwas Distanz von der zu reflektierenden Situation zu schaffen. In der Gruppenstunde kann das vielleicht ein anderer Raum im Truppheim sein, im Sommerlager reicht es oft, sich mit der Gruppe ein paar Schritte vom Zeltplatz zu entfernen. Ist ein Ortswechsel nicht möglich, reicht es, einfach innerhalb der Gruppe die Plätze zu wechseln. Man tritt gleichsam aus der Situation heraus und betrachtet sie „von außen“, jede/r individuell und subjektiv.

 

•              Kein Redezwang

Niemand muss etwas äußern in einer Reflexion. Auch wenn es oft hilfreich wäre, von allen Rückmeldungen zu bekommen, ist eine Reflexion etwas Freiwilliges. Das Leitungsteam sollte dementsprechend niemanden zwingen, sich zu äußern. Das führt in der Regel nur zu Abwehrhaltungen oder Äußerungen wie „Das Wetter war gut“,  die nicht wirklich hilfreich sind. „Schweigerinnen und Schweiger“ können jedoch durch vorsichtiges Nachfragen oder Rückmeldung geben („Ich habe dich so und so wahrgenommen – stimmt das?“) ermutigt werden.

•              Niemand darf verletzt werden

Oft geht es in Reflexionen auch um Beziehungen und Konflikte zwischen einzelnen Mitgliedern der Gruppe. Dabei muss das Leitungsteam darauf achten, dass bei persönlicher Kritik die Äußerungen nicht in Angriffe oder Beleidigungen ausarten.

Grundsätzlich sollte jede Reflexion gut vorbereitet werden. Dabei ist es natürlich wichtig, die Methode der Reflexion an die Gruppe und die Situation anzupassen. Für die Reflexion sollte auf jeden Fall genügend Zeit eingeplant werden, sodass jeder, der etwas zu sagen hat, zu Wort kommt.

 

Der Ablauf

•              Rückblick

Vor einer Reflexion sollte sich die Gruppe noch mal alle wichtigen Ereignisse in Erinnerung rufen, z.B. in dem jemand einfach chronologisch erzählt. Um es plastischer zu gestalten, kann auch anhand von Bildern oder Gegenständen, die wichtig waren, erzählt werden.

•              Bewertung

Die anschließende "eigentliche“ Reflexion kann je nach Gruppe und Situation gestaltet werden. Die am meisten verbreitete Form ist, dass jede/r einfach reihum erzählt, was ihr/ihm gefallen und was ihr/ihm nicht gefallen hat (Blitzlicht). Diese Methode ist jedoch sehr trocken und oft wird Wesentliches vergessen. Um zu verhindern, dass wesentliche Aspekte vergessen werden, sollten konkrete Fragen gestellt werden, mit denen die wichtigsten Bereiche (persönliche Ebene, Beziehungsebene, Sachthema) abgedeckt werden.

Lebendiger wird es, wenn verschiedene Methoden zum Einsatz kommen. Dazu folgen unten einige Anregungen und im  Anhang Literaturtipps.

•            Konsequenz

Je nach Situation bietet es sich an, zum Schluss mit der Gruppe gemeinsam zu überlegen, welche Konsequenzen sich aus dem Gesagten für die Gruppe ergeben: Gemeinsam sollte überlegt werden, was beim nächsten Mal (egal ob Sommerlager, Projekt oder Gruppenstunde) anders oder vielleicht gerade wieder genauso (weil es gut geklappt hat) gemacht werden soll.

Nur, wenn der Einzelne und die Gruppe  aus  ihren  Rückmeldungen Konsequenzen zieht, können sie sich weiterentwickeln und lernen, bewusst zu handeln.

 

•            Abschluss

Nach unserer Erfahrung ist es sinnvoll, eine offene Runde anzubieten. Gerade dann, wenn Reflexionsmethoden genutzt wurden, die weniger Möglichkeit zum Reden geben oder wenn die Reflexion durch Methoden stark strukturiert war. Unter dem Motto „Was ich noch sagen wollte“ kann dann jeder einbringen, was woanders keinen Platz fand,der/dem Einzelnen aber trotzdem wichtig ist. Das kann eine Rückmeldung sein, die vorher nicht in die Methode passte oder auch nur die Feststellung, dass das Essen klasse war. Das Leitungsteam muss darauf achten, dass dabei die Reflexion nicht zur Diskussion wird, was in dieser offenen Runde schnell passiert. Zum Abschluss sollte ein gemeinsamer Schlusspunkt gesetzt werden, damit die Reflexion nicht einfach in ein allgemeines Gespräch „ausläuft“. Das kann ein abschließender Dank des Teams für die offenen Rückmeldungen sein oder auch ein abschließendes Gebet.

 

Stand 12.04.2017

 


 

6   Aus: Das große Fremdwörterbuch. Dudenverlag 1994

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