Spiritualität findet im Alltäglichen und im gemeinsamen Leben miteinander statt. Entsprechend ist jede Situation im Pfadfinderalltag eine „spirituelle Situation“. Ihren Sinn zu entdecken und aus dem Glauben zu deuten, ist jedoch nicht immer leicht. Es braucht dafür die innere Haltung eines Sinndeuters und die Fähigkeit, Orte zu schaffen, an denen Glaube und Leben gefeiert werden können. Dazu im Folgenden einige Anregungen.
In der Gruppe
Stil und Kultur
Unsere Ordnung dient als Anregung für eine Spiritualität der Leiterinnen und Leiter, die sich zuerst in einer inneren Haltung zur Gruppe ausdrückt. Hierzu nur einige Denkanstöße:
- Was weiß ich über die persönlichen Hintergründe, Sorgen der Kinder/Jugendlichen? Versuche ich das Wohl des Einzelnen genauso wie das Wohl der Gruppe im Blick zu haben?
- Verstehe ich mich eher als Teil der Gruppe oder als ihr Gegenüber?
- Kann ich die Gruppe in ihrem Verhalten hinterfragen?
- Versuche ich bei einer Entscheidungsfindung darauf zu achten, dass alle Betroffenen daran beteiligt werden?
- Durch die innere Haltung der Leiterinnen und Leiter wird der Stil und die Kultur geprägt, die eine Gruppe kennzeichnen:
- Kennen sich alle Gruppenmitglieder mit Namen?
- Kommen die Kinder und Jugendlichen regelmäßig zur Gruppenstunde?
- Versuche ich eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Gruppenmitglieder wohlfühlen und sich mitteilen können?
- Pflegen wir als Team einen regelmäßigen Austausch über die Entwicklungen in der Gruppe und bei den einzelnen?
- Wie gehen wir mit besonderen Anlässen in der Gruppe um: Geburtstage, Namenstage, Erstkommunionfeier, Firmung, Führerscheinerwerb, ...?
- Versuchen wir Hoch- und Tiefpunkte des Lebens, Geburt eines Geschwisterkindes, Todesfälle, Unfälle, misslungene Prüfungen, usw. im Gespräch aufzugreifen? Solche Anlässe können dann auch der Grund sein, in der Gruppe einmal ganz konkret über die Sinnfrage und den Glauben zu sprechen.
Um Stil und Kultur in der Gruppe zu prägen, können Rituale hilfreich sein:
Ein Begrüßungskreis zum Beginn der Gruppenstunde bietet Raum, um von einem Erlebnis der letzten Tage, der letzten Woche zu erzählen. Ein Lied kann den Anfang der Gruppenstunde markieren.
Auch am Ende ist ein Abschlusskreis hilfreich. Hier kann ein passender Text, ein Lied, ein kurzer Augenblick des Schweigens, ein Gebet oder ein besonderes Gruppenritual seinen Ort haben.
Gottesdienst
Gottesdienste (Wortgottesdienste und Eucharistiefeiern) sollen keine isolierten spirituellen Ereignisse sein, nach dem Motto: Wir feiern am Sonntag Messe und dann haben wir unsere Pflicht und Schuldigkeit getan!
Vielmehr ist ein Gottesdienst als eine „Quelle“ zu verstehen, die es ermöglicht Kraft zu schöpfen für das Leben im Alltag, in der Gruppe oder im Lager. Hier hören wir von der befreienden Botschaft Jesu, werden durch sie herausgefordert und erhalten eine Richtschnur für pfadfinderisches Leben und Handeln.
Auf der anderen Seite ist ein Gottesdienst „Höhepunkt“ des (Pfadfinder-)Lebens, weil die gemeinsamen Erfahrungen, der Dank und die Freude hier in eine höhere Wirklichkeit eingebunden und so mit Sinn erfüllt werden.
Damit jedoch ein Gottesdienst tatsächlich „Quelle“ und „Höhepunkt“ werden kann, ist es nicht sinnvoll, die Vorbereitung vermeintlichen Fachleuten zu überlassen. Denn ein Gottesdienst wird um so ansprechender und lebendiger, je mehr eure Erfahrungen darin vorkommen – und dafür seid in erster Linie ihr Fachleute, nicht allein die Kuratinnen und Kuraten!
Gottesdienst heißt, dass Gott den Menschen einen Dienst erweist, und nicht umgekehrt, weil er unseren Dienst gar nicht braucht! Wo ein Gottesdienst so vorbereitet wird, dass er Pfadfinderinnen und Pfadfinder in irgendeiner Form zu Quelle und Höhepunkt wird, wo eine tiefere Dimension des Lebens zum Klingen kommt und das Leben ansprechend gefeiert wird, da wird die leidige Frage sehr schnell nebensächlich, ob es einen Zwang oder eine Pflicht zum Gottesdienst gibt.
Gebet
Besonders authentisch ist es, wenn Gebete frei gesprochen werden und aus einer konkreten Situation heraus entstehen. Auf diese Weise kann man sie persönlich gestalten und es wird deutlich, dass unser Gebet keine Pflicht ist. Folgender Ablauf kann hilfreich sein:
- Einladung zum Gebet (z.B. Kreuzzeichen, „Ich möchte unsere Runde jetzt mit einem Gebet beenden.“, ...).
- Gott anreden (z.B. „Lebendiger Gott“, „Gott, unserer Pfade“, ...).
- Gott unsere Situation anvertrauen (z.B. „Wir beenden heute unseren Hike. Ohne größere Zwischenfälle haben wir unser Ziel erreicht.“, ...).
- Gott eine Bitte anvertrauen oder Dank sagen (z.B. „So danken wir dir jetzt, dass du uns diese gemeinsame Wegerfahrung geschenkt hast.“, ...)
- Im gemeinsamen „Amen“ wird deutlich, dass das Gebet ein Gebet der Gruppe ist. Die Elemente 1-4 können entsprechend der Situation auch mehr als eine Satzlänge umfassen.
Bei jeder Fahrt sollte eine Sammlung von Texten, Gebeten, Meditationen, Liedern, Sinndeuter-Geschichten usw. dabei sein, die zu verschiedenen Anlässen verwendet werden kann. Hilfreich ist dazu auch das kleine Büchlein „Wegzeichen. Ein Gebetbuch für den Weg“ aus dem Georgsverlag. Vielleicht gibt es auch jemanden, der einen stammesinternen „Spiri-Ordner“ oder eine „Spiri-Kiste“ anlegt, in der gute Materialien und erprobte Ideen gespeichert werden! Anregungen dazu gibt es im Literaturteil.
(Projekt)Reflexion
Eine Reflexion – am Ende eines Projektes oder einer Aktion – kann gut durch einen spirituellen Impuls beendet werden – allerdings nicht in der Weise, dass Leiter/innen den anderen ihre Meinung aufzwingen.
Ein solcher Impuls kann eine Sinndeuter-Geschichte sein. Auch ein Lied oder ein Gebet sind denkbar.
Je nach Alterstufe und Größe des Projektes gibt es unterschiedliche Methoden um Reflexionen ansprechend zu gestalten.
Projekt-Fest
Das Fest bildet den Abschluss eines Projektes. Hier kann man gut den Dank für das Gelingen gemeinsam ausleben. Der Zusammenhalt, die neuen Erkenntnisse, auch das Scheitern werden hier verarbeitet. Hier dürfen wir darauf vertrauen, dass es einen Größeren gibt, der unser Tun zum Guten führt. Übrigens: Jeder Gottesdienst ist von seinem Charakter her ein Fest: Wir "feiern" Gottesdienst.
Versprechensfeier
Die Versprechensfeier ist eine Möglichkeit, bei der sich die Gruppenmitglieder mit ihren Charismen und Fähigkeiten auseinandersetzen können. Ihr Versprechen kann sich orientieren an dem, was uns in den vier Grundlinien bzw. im Handeln aus dem Glauben an Anregungen mitgegeben ist. Je nach Stufe gibt es dann ganz unterschiedliche Ausformungen/Rituale für die Versprechensfeier. Der eigenen Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Anregungen finden sich im entsprechenden Materialbuch.
Lager – Wochenendfahrt - Zeltsommerlager
Hinter die Dinge schauen – und dabei Gott entdecken, das ist in besonderer Weise auf Fahrt möglich: Das gemeinsame Unterwegssein, Entdeckungen in der Natur oder die Erfahrung von menschlicher Nähe in Freundschaft und Streit, sind nur einige wenige Beispiele dafür, wo wir Gott entdecken können.
Reisesegen
Ein Reisesegen kann am Beginn jeder Lagererfahrung stehen. Ein Wort, das die Freude und Unsicherheit des Aufbruchs benennt. Ein Gebet, ein Segensspruch, vielleicht ein Lied, helfen, den Beginn der gemeinsamen Fahrt bewusst zu erleben und unter den Segen Gottes zu stellen.
Morgenrunde
Morgenrunden sollten eine Möglichkeit bieten, gut in den neuen Tag einzusteigen und können sehr unterschiedlich gestaltet sein.
Ein besonderes Ereignis des beginnenden Tages (z.B. Lagerolympiade, Ausflug) kann hier aufgegriffen werden. Ein Aktionsteil ist sinnvoll, damit die Teilnehmer wach werden können. Dazu gibt es inzwischen eine ganze Reihe praxiserprobter Spiele. Jedoch sollte die Morgenrunde nicht ausschließlich als erste Spieleveranstaltung des Tages verstanden werden. Daher haben ein Morgen- oder Segensgebet, eine Meditation, eine Sinndeuter-Geschichte oder auch ein Tischgebet vor dem Frühstück ihren Ort. Die Morgenrunde darf nicht überladen werden. Man missbraucht eine Morgenrunde, wenn hier bereits die erste Moralkeule auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wartet. Vielmehr soll erfahrbar werden, dass wir jeden Tag aufs Neue von Gott geschenkt bekommen.
Abendrunde
Alle Erfahrungen des zurückliegenden Tages können in der Abendrunde im Glauben gedeutet werden. Dabei ist es sinnvoll immer wieder auch die Gruppensituation zu betrachten und ein Blitzlicht oder eine Reflexion anzubieten. Im Stammeslager bietet es sich an, die Abendrunde ab und zu in den Stufen zu gestalten. Hilfsmittel zur Deutung des Tages kann ein Bibeltext oder eine Sinndeuter-Geschichte sein. Am Schluss kann ein Gebet für die Nacht, eventuell als Resultat der Reflexion, stehen. Es kann aber auch ein ruhiges, neues, geistliches Lied sein. Hilfreich ist es, für die Abendrunde einen besonderen Platz auszuwählen (z.B. Strand, nahegelegene Bergkuppe, Zelt, Lagerfeuer, ...).
Tischgebet
„Vor der Mahlzeit gemeinsam beten?“ Mach ich doch sonst auch nicht!“ – Dann probier es doch mal wieder!
Durch das Tischgebet wird uns bewusst, dass wir Menschen uns nicht selbst erschaffen, sondern dass wir davon leben, dass andere für uns sorgen – letztlich Gott. So wirkt sich das Gebet positiv auf das Leben aus. Als Hilfsmittel gibt es sogenannte Gebetswürfel – gerade Wölflinge und Jungpfadfinder haben daran große Freude. Es gibt aber auch Bücher mit Textsammlungen, die geeignete Gebete bieten. Darüber hinaus gibt es auch gesungene Gebete.
Beim Tischgebet können die Gruppenmitglieder gut eingebunden werden, wobei nicht der Eindruck entstehen sollte, dass nur die Kleinen für das Gebet vorgeschickt werden, weil die Großen sich nicht trauen.
Gerade bei den Mahlzeiten zeigt sich Spiritualität auch im praktischen Tun: Fangen alle gemeinsam an? Warten wir, bis alle aufgegessen haben oder geht es zu wie im Hühnerstall? Denkt jeder zunächst an sich oder ist es möglich, auch einmal den anderen zu bedienen? Gibt es andauernd Reste, die dann weggeschmissen werden oder achten wir darauf, nur so viel zu nehmen, wie jeder essen kann?
Im Stammesleben
Stufenwechsel
Der Stufenwechsel ist ein Übergang, der gerade für Jüngere oft nicht leicht ist. Ältere Freunde gehen, neue, unbekannte stoßen zur Gruppe dazu. Im Blick auf die Geschichte von Jesus wird deutlich, dass Gott auch in schwierigen Situationen seine bleibende Nähe zugesagt hat. So bietet jeder Abschied auch immer eine Wachstumschance. In einem Wortgottesdienst rund um den Stufenwechsel kann dies gefeiert werden.
Georgstag – Heilige
Am 23. April ist der Gedenktag des Heiligen Georg. Er ist der Schutzpatron der DPSG. In seinem Leben entdecken wir, dass der Glaube an Gott hilft, Ängste zu überwinden und das Böse zu besiegen. Diesen Tag könnt ihr mit einem Gottesdienst im Stamm oder vielleicht sogar mit mehreren Stämmen zusammen feiern.
Es gibt noch andere Heilige, in deren Leben man einiges entdecken kann. Ihr Leben kann eine Orientierung für die eigene Lebensgestaltung sein, da sie oftmals Menschen waren, die sich zu ihrer Zeit den Herausforderungen des Lebens gestellt haben und sie aus dem Geiste des Evangeliums zu beantworten versuchten. Spannende Persönlichkeiten sind z.B.: Franziskus (Patron der Wölflinge), Klara, Philipp Neri, Martin, Edith Stein, Hildegard von Bingen, Johannes Bosco, Maximilian Kolbe, Mutter Teresa, …
Das Leben von Heiligen regt dazu an, nach Menschen zu suchen, die in der heutigen Zeit als „heilig“ zu bezeichnen sind. Weil sie gegen den Strom schwimmen, Mutmacher des Lebens sind oder etwas von Gottes Liebe und Gerechtigkeit erfahrbar machen.
Das Friedenslicht aus Betlehem
Mitte der 80er Jahre wurde in Österreich mit der Aktion Friedenslicht begonnen. Das Friedenslicht wird alljährlich in der Advents- und Weihnachtszeit ausgehend von der Geburtsgrotte Jesu in Betlehem in zahlreiche Länder weitergegeben. „Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein helles Licht.“ (Jesaja 9,1), heisst es beim Propheten Jesaja. Das Licht erinnert an die Frieden stiftende Kraft der Geburt Jesu und fordert heraus, selbst zu einem Friedensstifter zu werden. Meist finden zentrale diözesane Aussendungsfeiern statt. In der Gemeinde kann es einen thematischen Wortgottesdienst geben. Oder aber, das Licht wird der Gemeinde im Sonntagsgottesdienst übergeben und steht dann zu Weihnachten an der Krippe. Während der Gruppenstunde kann es an soziale Einrichtungen (Kindergarten, Krankenhaus, Obdachlosenheim, ..) weitergeschenkt werden. Weitere Anregungen sind in einer Arbeitshilfe zur Aktion zu finden.
Stammesversammlung
Im Zuge der Diskussion um die Kindermitbestimmung ist klar geworden, dass die Stammesversammlung mehr ist als eine Jahreshauptversammlung mit einer festen Tagesordnung. Vielmehr ist sie bedeutsam für das ganze Stammesleben. Darum ist es in vielen Stämmen eine gute Tradition, die Versammlung mit einem Gottesdienst zu verbinden und auf diese Weise zu erleben, dass all unser Tun letztlich seinen Wert aus Gottes Hand schöpft.
Als Pfadfinder in der Pfarrgemeinde
Die Pfarrgemeinde ist in vielen Fällen der Ort, wo Kirche für Kinder und Jugendliche konkret erfahrbar wird. Allerdings gibt es hier manche Traditionen, bei denen zumindest fraglich ist, ob sie in Zukunft weiter bestehen werden. Oft sind es Jugendliche, die solche Strukturen mit Recht hinterfagen: Müssen wir alles so machen, wie es immer war? Müssen wir Dinge tun, nur weil andere dies von uns erwarten? Wie können wir auf neue Weise unserem Glauben Ausdruck verleihen? Bei welchen Gelegenheiten möchten wir uns mit unserem Stamm in der Pfarrgemeinde einbringen? Welche Orte und Zeiten gibt es, wo wir uns als Pfadfinderinnen und Pfadfinder positionieren wollen? Diese Fragen in einem ehrlichen Dialog innerhalb der Leiterrunde und mit den Verantwortlichen zu klären, kann ein wichtiger Beitrag zur Mitgestaltung von Kirche sein. Mögliche Anlässe dafür sind: Familienmessen, Patronatsfeste, Pfarrfestgottesdienstes, Pfarrfeste, Pfarrwallfahrten, Fronleichnamsfeste, Weihnachtsspiele, Früh- oder Spätschichten, Jugendkarwochen, Osternächte, Exerzitien im Alltag,...
Als Pfadfinder in der Weltkirche
Es gibt kirchliche Großereignisse, die vor allem Pfadfinder-, Roverstufe und Leiterrunden nutzen können, um etwas für die eigene Spiritualität zu tun, z.B: Dekanatsjugendgottesdienste, BDKJ-Sozialaktionen (wie sie schon in vielen Diözesen stattgefunden haben), Diözesannachtwallfahrten, Katholikentage, Ökumenische Kirchentage, Internationale Jugendtreffen von Taize, Weltjugendtage, ... Häufig kann man sich zu solchen Angelegenheiten anmelden, ohne selbst viel vorbereiten zu müssen.
Zum Schluss...
Es gibt viele Situationen und Möglichkeiten Spiritualität in der DPSG zu leben. Für eine gelungene, praktizierte Spiritualität ist zunächst das Wissen um den eigenen Zugang notwendig. Aber auch die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit den Menschen, die uns umgeben und die vielleicht einen ganz anderen Zugang zur Spiritualität haben.
Die oben genannten Situationen sollen anregen zu entdecken, wo überall Spiritualität drin steckt, obwohl es nicht auf den ersten Blick drauf steht.
Zum Abschluss eine kleine Sammlung von Büchern, Liedern und Homepages für die persönliche Suche und konkrete Gestaltung.
Stand 12.04.2017